Zustand
das Buch ist in einem guten, gebrauchten Zustand, Die Zeit hat meine Erinnerungen wie le marmorne Grabplatte zerbrochen un die Stücke aus ihrem Zusammenhang und ihrer Abfolge gelöst. Doch erhalten bleiben die Details, und die lassen sich nicht tilgen, ebensowenig wie vergoldete Lettern, die einst den Namenszug eines Menschen bildeten . . .Wie zerbrochenes Leben. Nicht moralisch zerbrochen, sondern physisch, zersplittert kraft des ewigen Werdens und Vergehens. Übrigens erinnert es wohl eher an die byzantinisehen Mosaiken, die ich in Kiew und Konstantinopel sah. Die Menschen, Dinge, Heiligen und Engel samt dem dustergolden flimmernden Hintergrund, vor dem sie sich erheben, sind aus einer Vielzahl winziger Smaltewürfel kunstvoll zuammengesetzt, einer glasartigen Masse, die die mannigfachsten Farbtöne ergibt - Lapislazuli, Karmin, das Zuckerweiß des Marmors, die Farbe von Grünspan, Chrom und andere . . . War nicht die schwere, vielfarbige Platte meines Lebens mit all ihren malerischen Einzelheiten auch aus leuchtender Smalte zusammengesetzt, die, anfangs von jemand in buntfarbige Stücke zerschlagen, sich sodann zum Bild fügte, das schließlich, von der Zeit zertrümmert, nur die Form, aber nicht die Farbe verlor, um neuerlich zum schönen Ganzen verbunden zu werden?" So Valentin Katajew, geb. 1897, in seinem Erinnerungsbuch, das 1969-1912 in der Schriftsteller Siedlung Peredelkino entstand und die Odessaer Kindheit des Lehrersohnes vorm ersten Weltkrieg zeigt. Diese Erinnerungen sind kein Buch lückenloser Chronologie, sondern Lebensplitter, ungeordnet, zuweilen mit assoziativen Brücken zwischen den Fragmenten, ein Stück hoher Sprachkunst, das zwisehen seinen bekannten Spätwerken Die kleine eiserne Tür" (1964), Der heilige Brunnen" (1966), Das Gras des Vergessens" (1967) und "Veilchen" (1971) steht. ... (vom Umschlag) 4m1b